November 25, 2013

Béla Faragó



Ausstellung
BÉLA FARAGÓ - WILLKOMMEN IM PARADIES
Maria-Magdalena-Kirche, Buchschwabach,
3.11.2013 - 1.12.2013
in Zusammenarbeit mit der
Galerie Destillarta
Katalog

Axel Feuß:
ZEICHNUNGEN ZU VOLKSFRÖMMIGKEIT, GLAUBENSWAHRHEIT
UND ZIVILISATIONSKRITIK 

Seit jeher mutet Béla Faragó den Betrachtern seiner Gemälde und Zeichnungen einiges zu. Seine Porträts der letzten zwei Jahrzehnte nehmen fiktive Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Typen der Gesellschaft aufs Korn, deren Eitelkeit, Gier, versteckte oder offene Brutalität er durch Übertreibungen der Physiognomie, der Haltung und des Kostüms charakterisiert. Dabei werden geistliche Würdenträger, Herren aus dem Management, Intellektuelle, Schauspieler und Theatergänger, Soldaten und Polizisten ebenso wenig geschont wie der Faschist, der Schläger von der Straße und der zur schreienden Fratze degenerierte Nachbar von nebenan. In Faragós Figurenszenen der letzten Jahre, die auch wandfüllende Formate von sieben und mehr Metern in Höhe und Breite erreichen können, führt der Künstler ein groteskes Welttheater auf, in dem Krawattenträger auf Glaskugeln stehen und vor Bohrinseln auf weitem Meer den selbst verliebten Tanz der Globalisierung aufführen. Assistiert von eitlen Pavianen und konfrontiert mit riesigen Rhinozerossen sehen sie ungerührt dem Untergang der Welt entgegen. In Szenen, die volkstümlichen Allegorien der Renaissance ähneln, bemüht er das Bild der Fettleibigen auf dem Dukatenesel, denen die Hungernden der Welt gegenüber stehen. Er karikiert die Auswüchse des Sports und lässt die Schlittschuhläuferin erneut in einem Totentanz des modernen Lebens als skelettierte Tänzerin auf dem Eis auftreten.

Faragó kritisiert jedoch nicht ganze Berufsgruppen oder Teile der Gesellschaft sondern deren Auswüchse. Er ist kein Verächter des Lebens sondern legt seine Finger in die Wunden des Alltags. Sein Weltbild ist von christlichen und humanistischen Werten geprägt; doch von deren Brüchen und Gegenpositionen lebt seine Kunst. Vertreter beider christlicher Konfessionen haben sich daher nie gescheut, seine drastischen Werke in kirchlichen Räumen zu zeigen. Allgemein Menschliches, Kontinuitäten werden sichtbar, wenn seine Werke neben Altären des Mittelalters hängen, auf denen Menschen im Kostüm der Zeit Heilige quälen oder biedere Bürger den gefangenen Christus geißeln und verhöhnen. Das „Ecce homo“ gilt nicht nur dem gequälten Gottessohn und den gefolterten Heiligen, sondern auch ihren Mördern und Peinigern und ebenso den von Faragó geschilderten „Stützen der Gesellschaft“. Sie werden vom Künstler nicht bloßgestellt oder verspottet, sondern uns als Mahnbild, als „Argumentum ad hominem“, vor Augen geführt: „Siehe, auch das ist ein Mensch.“ Anlässlich von Faragós Ausstellung 2003 in der Lorenzkirche zur Verleihung des Menschenrechtspreises der Stadt Nürnberg wurde deutlich, wie sinnfällig an diesem Ort die zeitgenössische Kunst Faragós auf die mittelalterliche Malerei antwortete.

Nicht immer stoßen Faragós Zumutungen auf Wohlwollen. Seine Allegorie der Wolllust in einem Bildzyklus über die Sieben Todsünden erregte im März 2010 aufgrund der offenen Darstellung von Sexualität Unmut in einer Gemeinde in Erlangen. Aber auch dieser Konflikt ist nicht neu. Päpste und Geistliche ließen über Jahrhunderte sichtbare Geschlechtsteile auf Wandbildern und Gemälden übermalen und Statuen an entsprechenden Stellen mit Feigenblättern verhüllen. Doch gerade die großen Künstler ließen sich von Unbotmäßigkeiten nicht abhalten. Velázquez scheute sich nicht, die Hässlichkeit seiner fürstlichen und geistlichen Auftraggeber realistisch zu erfassen, ihre Macht und ihren Einfluss malerisch zu charakterisieren. In Gemälden Tiepolos strecken sich uns weibliche Hinterteile unverhüllt entgegen. Vor einem so frommen Bildwerk wie der „Verzückung der hl. Theresa“ von Bernini bemerkte der Parlamentspräsident und Mitglied der Akademie der Wissenschaften Charles des Brosses 1740: „Wenn das die himmlische Liebe ist, dann kenne ich sie auch.“ Kirche hat auch dies über Jahrhunderte ausgehalten.

Faragó hat die Drastik seines Menschenbildes unter anderem dem Studium bei Georg Baselitz und der Affinität für die schonungslose Analyse und Deformation der menschlichen Figur bei Francis Bacon zu verdanken, dessen Bildserie der eingeschlossenen Päpste die Nachfolger Petri wieder zu unseren Zeitgenossen macht. Aber Faragó kennt sich zu gut in der Kunstgeschichte aus und hat so zügig seinen eigenen Stil entwickelt, als dass er sich auf einzelne Vorbilder festlegen ließe. Gerade im kleineren Format seiner Zeichnungen erinnert er im nervösen Zeichenstil und der Leichtigkeit der Komposition gelegentlich an Meister des 18. Jahrhunderts wie Tiepolo und Francesco Guardi, dessen Vater Giovanni Antonio er besonders schätzt.

Faragós neuer, von der Buchschwabacher Gemeinde Maria-Magdalena angeregter Zyklus zum Thema Religion und Glauben mit dem Titel „Willkommen im Paradies“  fügt sich also nahtlos in die Reihe von Ausstellungen des Künstlers in kirchlichen Räumen ein, wo christliche Gemeinden dem kritischen Blick auf Gesellschaft und Religion offen gegenüberstehen - wohl wissend, dass Bereitschaft zur Reflexion ein hohes Gut ist, bedingungslose Zustimmung zu jedem einzelnen Bild aber nicht eingefordert werden kann. Faragós Zyklus zum Totentanz wurde 2007 hier gezeigt und war zuvor im Domschatz- und Diözesanmuseum in Eichstätt zu sehen.

Der Zyklus „Willkommen im Paradies“, aus dem dreißig Werke gezeigt werden, repräsentiert einen persönlichen Blickwinkel des Künstlers, der das Thema Religion und Glauben nicht enzyklopädisch abarbeitet, sondern sich auf spontane Eingebungen und gemachte Erfahrungen stützt. Systematisch erarbeitet hätten uns angesichts der aktuell in den Medien und in vielen Gemeinden geführten Diskussion über den Zustand von Religion, Glauben und Kirche ganz andere Bilder erwarten können. Doch führt uns der Künstler in seine eigene Gedanken- und Erfahrungswelt ein, die nicht ausschließlich kritisch ist, sondern häufig die Vielfalt der Erscheinungen, die eigenartige, bunte Welt des Religiösen einfach nur konstatiert.

 Béla Faragó: Willkommen im Paradies, 2013
Tusche, Buntstift, 50 x 60 cm 

Das einleitende Bild zum gleichnamigen Zyklus orientiert sich zunächst an der Genesis, nach der das Paradies ein blühender Garten mit Bäumen, Früchten, dem Lebensbaum und dem Baum der Erkenntnis ist, sowie an den darauf aufbauenden klassischen Beipielen der Malerei, in denen seit frühester Zeit Bäume, Blumen und Vögel, bei Fra Angelico die Reigen tanzenden Seligen, im „Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch phantastisch-skurrile Tiere und Pflanzen und badende Jungfrauen zu den über Jahrhunderte zitierten Motiven gehören.  Daß sich bei Faragó Schlange und Giraffe, Hirsch und Löwe, Kuh und Dinosaurier friedlich miteinander vergnügen, mag noch den historischen Vorbildern geschuldet sein. Daß sich ein Bischof und ein Mullah als Zeichen der Verbundenheit gegenseitig ihre Herzen reichen, gemeinsam mit ihrem jüdischen Amtsbruder einen fröhlichen Reigen tanzen und dann eine friedliche Ruhezeit einlegen und dass die Bäume voller Braten, Geldscheine, Bildschirme und Automobile hängen, ist die Reminiszenz des Künstlers an die moderne Zeit. Ob es sich bei den versprochenen Wonnen des Paradieses um Jungfrauen oder Weintrauben handelt, mögen sprachgelehrte Übersetzer des Korans entscheiden. Volksglauben mischt sich mit moderner Weltsicht, und jede Religion gestaltet sich ihr eigenes Paradies. Vergleichen wir noch einmal mit Hieronymus Bosch, dann haben sich die Endzeit-Hoffnungen der Menschen nur dem jeweiligen Zeitalter angepasst. 

 Béla Faragó: Endlich ein Wegweiser, 2013
Kreide, Tusche, 70 x 100 cm 

„Endlich ein Wegweiser“ stellt der Künstler fest und zeigt einen Religionsführer, der mit ausgebreiteten Armen eine diffuse Masse von Gläubigen in unterschiedliche Richtungen schickt. Jeder Angehörige einer Religion würde dies weit von sich weisen. Doch Faragó lässt offen, um welchen Guru, Gottessohn oder Propheten es sich handelt, denn „Jeder denkt, er hat die beste Religion“, so ein anderes Bild, und deren Vertreter bewegen sich in unterschiedlichem Kostüm und auf unsicheren Stelzen in verschiedene Richtungen. 

 
Béla Faragó: Jeder denkt, er hat die beste Religion, 2013
Tusche, Buntstift, 50 x 60 cm

Bei diesen Blättern wird deutlich, was die kritische Zeichnung, die sich in enger Beziehung zur Karikatur bewegt, leistet: Sie bezieht Stellung, aber indoktriniert nicht; sie regt zur Auseinandersetzung an, aber stellt nicht bloß; sie erregt Zustimmung oder Widerspruch und eröffnet damit die Diskussion.

Béla Faragó: Manager mit dem Gott Mammon, 2013
Tusche, Buntstift, 60 x 50 cm

Béla Faragó: Moderner Hl. Christophorus, 2013
Tusche, Buntstift, 40 x 30 cm

Eher in der Bereich von Karikatur und Zeitkritik gehören Blätter, in denen Manager den Gott Mammon, ein aus Geldscheinen gebildetes Götzenbild, an Stricken durch die Welt ziehen, die sie zugleich erwürgen. Hier wird nicht Religion kritisiert; sondern Geldsucht und Gier werden zur neuen Religion erhoben. Hierzu gehören auch der „Moderne Hl. Christophorus“, Christusträger und Schutzpatron der Schiffer, Kraftfahrer und Piloten, der in der heutigen Welt zum beiläufigen Attribut des eigenlichen Heiligen, des Automobils, geworden ist. 

Béla Faragó: Gott Auto, 2013
Tusche, Buntstift, 30 x 50 cm

Béla Faragó: Gottesersatz, 2013
Tusche, Buntstift, 30 x 50 cm

Andere rutschen auf Knien in religiöser Wallfahrt dem Automobil entgegen. „Gottesersatz“ bieten auch Diktaturen jeglicher Art, in denen Volksmassen mit bekannter Geste einem nicht näher bestimmten Hoheitssymbol huldigen.

Béla Faragó: Prozessionszug im Schneegestöber, 2013
Tusche, 30 x 50 cm 

Prozessionen, eben noch als Ritual für die Verehrung neuzeitlicher Konsumgüter umgedeutet, interessieren den Künstler auch in ihrer ursprünglichen Form. Extreme Erscheinungen fand er in der größten Pilgerfahrt der indianischen Einwohner Amerikas zu dem in den peruanischen Anden gelegenen heiligen Gletscher Qoyllur Ritti. Dort strömen  jährlich fünfzigtausend Gläubige zum „Fest des Schneesterns“ in Prozessionen zu einem ursprünglich indianischen und vor zweihundert Jahren von der katholischen Kirche zum Wallfahrtsort umgedeuteten Heiligtum unterhalb des ewigen Eises. 

 
Béla Faragó: Prozessionszug in Spanien, 2013
Tusche, Buntstift, 50 x 30 cm
Béla Faragó: Sie verhüllen ihre Gesichter, 2013
Tusche, Buntstift, 30 x 50 cm

Im spanischen Sevilla faszinierten Faragó die Umzüge der mit Kutten und Kapuzen verhüllten Mitglieder religiöser Orden, der verhüllten Kreuzträger und der auf blumengeschmücktem Podest getragenen „Virgen de la Macarena“, der Schutzheiligen der Stadt, anlässlich der jährlichen „Semana Santa“. Parallelen zu verhüllten Gläubigen sieht der Künstler auch in anderen Kulturen, bei vermummten Gotteskämpfern ebenso wie bei Anhängern des Klu-Klux-Klans, die sich mit Kutten und Kapuzen vor brennenden Kreuzen versammeln.

Béla Faragó: Krippenbild aus Nordamerika, 2013
Tusche, Buntstift, 35 x 27 cm
Béla Faragó: Gott Computer, 2013
Tusche, Buntstift, 30 x 50 cm 

Zustandsbeschreibung oder Zivilisationskritik? Faragós „Krippenbilder“ aus Afrika, Nordamerika und Europa zeigen, wie verschiedene Kulturen ihr religiöses Weltbild der eigenen Wirklichkeit anpassen. Im Fall von Europa sind nicht nur das Jesuskind sondern auch andere Details der Krippenszene durch Symbole des Konsums ersetzt. Positiver Effekt oder Trivialisierung? In der arabischen Welt mag der neue Heilsbringer Computer über die sozialen Netzwerke den politischen Frühling mit ausgelöst haben; in Europa erscheint das gleiche Gerät zum modernen Götzen mutiert. „Karikaturen“, so schrieb der Kulturhistoriker und Schöpfer der „Kritischen Ikonologie“ Aby Warburg, „sind Auffangsorgane des inneren und äußeren Lebens.“ Dies gilt für Faragós kritische oder nur überspitzt beschreibende Zeichnungen des Religiösen, in denen sich Volksfrömmigkeit, Glaubenswahrheit und Zivilisationskritik mischen, ebenso. Auch dieser Zyklus von Zeichnungen zu Religion und Glauben enthält Zumutungen an den Betrachter, die die Grenze des Zumutbaren absichtlich, mitunter aber auch nur für einzelne Betrachter überschreiten.

Béla Faragó


Axel Feuß:
AUSSTELLUNGS-ERÖFFNUNG
"BÉLA FARAGÓ - WILLKOMMEN IM PARADIES"
Kirche Maria Magdalena, Buchschwabach, 3.11.2013, 10 Uhr 30 

Sehr verehrte Anwesende,
als ich Béla Faragó im Sommer 1999, also vor mehr als vierzehn Jahren kennen lernte, war er bereits seit über einem Jahrzehnt als gefragter und allseits anerkannter Kirchenrestaurator tätig und verfügte in seiner Eigenschaft als freier Künstler über ein beeindruckendes Werk an Gemälden und Zeichnungen. Wir bereiteten damals am Museum Ostdeutsche Galerie in Regensburg eine Einzelausstellung mit dem Künstler vor. Sie war der Anfang einer ansehnlichen Liste von Ausstellungen Béla Faragós unter anderem in Erlangen und Worms, in der Lorenzkirche in Nürnberg, der Surgical Academie in Rastatt, dem Domschatz- und Diözesanmuseum in Eichstätt, zahlreichen Ausstellungen in der Galerie Destillarta in Buchschwabach und 2007 mit der Ausstellung „Totentanz“ auch hier bei Ihnen in der Kirche Maria Magdalena. Ausstellungen im Stadttheater Fürth, im Krakauer Haus in Nürnberg, schließlich in Röthenbach an der Pegnitz, im Zentrum St. Paul in Nürnberg und im Jüdischen Kulturzentrum in Krakau folgten. Vor kurzem sind Béla Faragó und das Ehepaar Kreß von der Galerie Destillarta von einer Ausstellungseröffnung in Kielce in Polen zurück gekommen.

Der Liste von Ausstellungen schließt sich eine ebenso beeindruckende Reihe von Kunstpreisen an, unter denen mehrfach Preise der Nürnberger Nachrichten waren. Ich selbst habe das Glück, dass mir der Künstler über eineinhalb Jahrzehnte die Treue gehalten und mich mit Einladungen und Fotos seiner neuesten Werke versorgt hat, dass ich Ausstellungen von ihm in Nürnberg und Rastatt eröffnen durfte und dass sich nach einigen Jahren Pause unsere Freundschaft anlässlich des heutigen Ereignisses wie selbstverständlich erneuert hat, obwohl ich heute im Norden der Republik, in meiner Heimatstadt Flensburg lebe, von wo ich Ihnen beste Wünsche zum Gelingen der heutigen Ausstellung mitbringe.

Béla Faragó, das soll für diejenigen unter Ihnen, meine Damen und Herren, die ihn noch nicht kennen, nicht unerwähnt bleiben, kam 1980 aus Ungarn nach Deutschland und begann im selben Jahr sein Studium an der Kunstakademie in Nürnberg. 1981 bestand er die Aufnahmeprüfung an gleich drei großen deutschen Akademien in Düsseldorf, Karlsruhe und Stuttgart und entschied sich dann für ein Studium bei Georg Baselitz an der Kunstakademie in Karlsruhe und für ein Studium der Bildrestaurierung an der Akademie in Stuttgart. 1986 schloss er sein Studium in Nürnberg ab. Er war drei Jahre lang Dozent für Anatomie beim Bildungszentrum der Stadt Nürnberg und arbeitet seit 1987 freischaffend als Kirchenrestaurator sowie als Zeichner und Maler.

In der Ausstellung in der Ostdeutschen Galerie in Regensburg konnten wir seinerzeit noch große Ölbilder des Künstlers zeigen, in denen Schlittschuläufer und Boxkämpfer die physischen und ethischen Belastungsgrenzen des Sports aufzeigten, oder in denen offene oder versteckte Gewalt von Machtmenschen und sogenannten „Stützen der Gesellschaft“ das Thema waren. In einem in Worms geschaffenen Altarbild, das sich heute in einer Privatsammlung befindet, stehen Uniformierte in langen Ledermänteln im Vordergrund des Bildes, die eine protestierende Menschenmenge in Schach halten. Während des letzten Jahrzehnts ist Faragó jedoch vor allem als kritischer und teilweise satirischer Zeichner hervorgetreten, der neben den bereits erwähnten Themen und kritischen Betrachtungen zu unserer modernen Gesellschaft auch zahlreiche religiöse Stoffe wie Kreuzwegstationen, den Totentanz und die Sieben Todsünden in teilweise drastisch freizügigen Darstellungen und heute mit einem Zyklus von 34 kritischen und teilweise satirischen Zeichnungen zum Thema Kirche und Religion unter dem Thema „Willkommen im Paradies“ bearbeitet hat. Er ist dabei ausgesprochen häufig von Kirchengemeinden unter anderem in Worms, Nürnberg, Rednitzhembach, Röthenbach an der Pegnitz und hier bei Ihnen in Buchschwabach und von kirchlichen bzw. religiösen Institutionen wie dem Domschatz- und Diözesanmuseum in Eichstätt oder der Jüdischen Stiftung in Krakau eingeladen worden.

Manche von Ihnen, meine Damen und Herren, werden sich fragen, was kritische und satirische Themen, Darstellungen von Gewalt und offener Sexualität überhaupt in kirchlichen Räumen zu suchen haben; denn nicht immer stoßen Faragós Zumutungen an die Betrachter auf Wohlwollen. Seine Allegorie der Wolllust in dem Bildzyklus über die Sieben Todsünden erregte im März 2010 aufgrund der offenen Darstellung von Sexualität Unmut in einer Gemeinde in Erlangen, woraufhin das betreffende Bild zumindest während des Gottesdienstes verhängt werden musste. Um zu einer Antwort auf diese Frage zu kommen, möchte ich die Frage erweitern: Was haben Bilder überhaupt in Kirchenräumen zu suchen?

Richtig, sie dienen dem Schmuck der Kirche, der Einkehr und der inneren Andacht. Im Mittelalter jedoch, einer Zeit, aus der viele unserer kostbarsten Zeugnisse christlicher Kunst stammen, dienten die großen Wandelaltäre mit ihren gemalten und geschnitzten Bildzyklen, die zahlreichen Altäre in den Seitenkapellen der Kirchen, die Kreuzwege und die Bilder von Märtyrern und Heiligen ebenso wie die großen farbigen Kirchenfenster der christlichen Unterweisung der einfachen Menschen, die weder lesen noch schreiben konnten, die keinen Zugang zum Bibeltext hatten, weil dieser auf Lateinisch geschrieben war und die auch weite Teile der lateinischen Liturgie nicht verstehen konnten. Bilder waren Kommunikationsmittel, um die christliche Botschaft und die Heiligenlegenden an das einfache Volk zu vermitteln. Mit Martin Luther, der gegen den Ablasshandel wetterte, die Bibel ins Deutsche übersetzte und die Deutsche Messe einführte, hielt die Kritik an der Kirche auch Einzug in die Kunst, wurden die bildlichen Darstellungen drastischer. Hans Holbein der Jüngere aus Augsburg zeichnete Papst Klemens, wie er über einer Versammlung von Ablasshändlern thront. Meister Dürer aus Nürnberg, der kurz zuvor noch geschrieben hatte, dass „die Kunst allein der Kirche gehöre“, zeichnete 1514 das Bildnis seiner Mutter, das durch die drastische Darstellung des Alters zu einem der anrührendsten Werke der deutschen Kunst geworden ist, aber auch den Kopf eines Apostels für den Heller-Altar, bei dem er durch die tiefe Hässlichkeit eines alten Mannes aus dem Volk das Leben der einfachen Leute in die christliche Kunst zu holen suchte.

Denken Sie an die Monster und Dämonen, die auf dem Isenheimer Altar des aus Würzburg stammenden Malers Matthias Grünewald den heiligen Antonius quälen, an den von Hans Holbein  dem Älteren gemalten Leichnam Christi im Grabe, der wie auf dem Steintisch eines Leichenschauhauses daliegt, an die brutalen und in Gemeinheit verzerrten Gesichter der Henkersknechte und der sich mit ihnen verbündenden einfachen Leute aus dem Volk auf den zahlreichen Altartafeln der Dürer- und Luther-Zeit, die die Verspottung, die Geißelung, die Dornenkrönung und die Kreuztragung Christi zum Inhalt haben - alles Motive, die die Gläubigen der Zeit zutiefst erschreckt und verstört haben dürften. Diese Bilder der Meister aus Franken, Altbayern und vom Niederrhein, die wir uns bei einem Gang in die entsprechenden Abteilungen des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg wieder vor Augen führen können, dienten nicht der Einkehr und der inneren Andacht sondern der dringlichen Ermahnung, die Gründe für das Leiden Christi auch um uns herum, im Alltag der Herrschenden ebenso wie im täglichen Leben der einfachen Leute zu suchen und zu finden.

Vollständige Nacktheit von einzelnen großen Figuren und ganzen Figurengruppen führte ab 1520 der aus Kronach stammende Maler Lukas Cranach bei seinen berühmt gewordenen Bildern „Venus und Amor als Honigdieb“ (ebenfalls im Germanischen Nationalmuseum) und „Das Ende des silbernen Zeitalters“ (in der Nationalgalerie in London) ein. Ab 1600 wird das Nackte für fast zweihundert Jahre zum eigentlichen Skandalthema in der Kunst. In Darstellungen des Höllensturzes und der Sintflut und bei der Figur des Heiligen Sebastian können die Maler fast vollständige Nacktheit auch in christlichen Themen einführen. Gerade die großen Künstler wie Lorenzo Bernini oder Giovanni Battista Tiepolo, der Maler der Würzburger Residenz, ließen sich von skandalträchtigen Darstellungen nicht abhalten, worauf die Öffentlichkeit entsprechend reagierte. Erst um 1800 war mit der Romantik und den frommen Malern aus dem Kreis der Nazarener Schluss mit allen Skandalen. Seitdem sind christliche Darstellungen im Ausdruck verhalten, züchtig und verhüllt - ein radikaler Wandel im Zeitgeschmack, der sich bis heute in unserer Auffassung von kirchlicher Malerei erhalten hat. Statt dessen entwickelten sich in England außerhalb von Kirche, Staat und fürstlichen Auftraggebern Ende des 18. Jahrhunderts Formen der kritischen Zeichnung und der Karikatur, die das ganze 19. Jahrhundert hindurch lebendig blieben. Um 1900 füllten sie in satirischen Zeitschriften wie der „Jugend“ und dem „Simplicissimus“ ganze Jahrgangsbände und haben sich bis heute in ihrer Form ebenfalls kaum verändert.

Béla Faragó, meine Damen und Herren, kennt sich in der Kunstgeschichte zu gut aus, als dass er sich auf bestimmte Vorbilder festlegen ließe. Früh hat er seinen eigenen Stil gefunden und auch Einflüsse von zeitgenössischen Künstlern wie Georg Baselitz und Francis Bacon hinter sich gelassen. Gleichwohl greift er in der Drastik seiner Darstellung Traditionen der Malerei seit der Renaissance auf, erinnert sogar im kleineren Format seiner Zeichnungen im nervösen Zeichenstil und der Leichtigkeit der Komposition an Meister des 18. Jahrhunderts wie Tiepolo und Francesco Guardi, dessen Vater Giovanni Antonio Guardi er besonders schätzt. Nicht nur durch sein Kunststudium und seine Tätigkeit als Restaurator von Deckengemälden der großen Meister, sondern vor allem durch sein Talent war er seit jeher in der Lage, jedes Tier, jede Figur und jede Komposition ohne Vorlage und frei aus der Erinnerung zu zeichnen.

Sein neuer Zyklus zum Thema Religion und Glauben mit dem Titel „Willkommen im Paradies“  fügt sich nahtlos in die Reihe von Ausstellungen des Künstlers in kirchlichen Räumen ein, wo Gemeinden dem kritischen Blick auf Gesellschaft und Religion offen gegenüberstehen - auch wenn sie wissen, dass man Zustimmung zu jedem einzelnen Bild natürlich nicht einfordern kann. Der Künstler hat das Thema Religion und Glauben nicht enzyklopädisch abgearbeitet, sondern sich auf spontane Eingebungen und gemachte Erfahrungen verlassen. Angesichts der aktuell in den Medien geführten Diskussion über den Zustand von Kirche, Religion und Glauben hätten wir ganz andere satirische Bilder erwarten können. Doch der Künstler hat sich von der Tagesaktualität frei gemacht und führt uns in seine eigene Gedanken- und Erfahrungswelt ein, die nicht ausschließlich kritisch ist, sondern häufig nur die Vielfalt der Erscheinungen, die eigenartige, bunte Welt des Religiösen beschreibt.

Faragós „Paradies“ (Sie sehen einen Ausschnitt auf der Einladungskarte), das ist im klassischen Sinn ein blühender Garten mit Bäumen, Früchten, dem Lebensbaum und dem Baum der Erkenntnis, so wie ihn schon Fra Angelico und Hieronymus Bosch gesehen haben. Tiere, die sich sonst bekämpfen, Giraffe und Schlange, Hirsch und Löwe, Kuh und Dinosaurier, vergnügen sich friedlich miteinander. Doch jetzt bekommt die Szene Faragós Zuschnitt: auch Religionen, die sich sonst feindlich gegenüber stehen, versöhnen sich im Paradies. Ein Bischof und ein Mullah reichen sich als Zeichen der Verbundenheit gegenseitig ihre Herzen (auf der Einladungskarte sehen sie das links unten), tanzen gemeinsam mit ihrem jüdischen Amtsbruder einen fröhlichen Reigen und legen dann zusammen eine friedliche Ruhezeit ein. Die Bäume hängen voller Braten, Geldscheine, Bildschirme und Automobile und repräsentieren so die am Konsum orientierte neuzeitliche Auffassung von Paradies.

„Endlich ein Wegweiser“ stellt der Künstler auf einem anderen Blatt fest und zeigt einen Religionsführer, der mit ausgebreiteten Armen eine diffuse Masse von Gläubigen in unterschiedliche Richtungen schickt. Jeder Angehörige einer Religion würde dies weit von sich weisen. Doch Faragó lässt offen, um welchen Propheten es sich hier handelt, denn „Jeder denkt, er hat die beste Religion“, und deren Vertreter bewegen sich auf einem anderen Bild in unterschiedlichem Kostüm und auf unsicheren Stelzen in verschiedene Richtungen. Bei diesen Blättern wird deutlich, was die kritische Zeichnung, die sich in enger Beziehung zur Karikatur bewegt, leistet: Sie bezieht Stellung, aber sie indoktriniert nicht. Sie regt zur Auseinandersetzung an, aber stellt nicht bloß. Sie erregt Zustimmung oder Widerspruch und eröffnet damit die Diskussion.

Eher in den Bereich von Karikatur und Zeitkritik gehören Blätter, in denen Manager den Gott Mammon, ein aus Geldscheinen gebildetes Götzenbild, an Stricken durch die Welt ziehen, von denen sie selbst erwürgt werden. Hier wird nicht Religion kritisiert; sondern Geldsucht und Gier werden als neue Form der Religion aufs Korn genommen. Andere rutschen auf Knien in religiöser Wallfahrt dem Automobil als neuem „Gottesersatz“ entgegen. Prozessionen, eben noch als Ritual für die Verehrung neuzeitlicher Konsumgüter umgedeutet, interessieren den Künstler auch in ihrer ursprünglichen Form. Extreme Erscheinungen fand er in einer Pilgerfahrt der indianischen Bevölkerung der peruanischen Anden und im spanischen Sevilla, wo ihn die Umzüge der mit Kutten und Kapuzen verhüllten Mitglieder religiöser Orden faszinierten. Parallelen zu verhüllten Gläubigen sah der Künstler auch in anderen Kulturen, bei vermummten islamischen Gotteskämpfern ebenso wie bei Anhängern des Klu-Klux-Klans, die sich mit Kutten und Kapuzen vor brennenden Kreuzen versammeln.

Zustandsbeschreibung oder Zivilisationskritik? Faragós „Krippenbilder“ aus Afrika, Nordamerika und Europa zeigen, wie verschiedene Kulturen ihr religiöses Weltbild der eigenen Wirklichkeit anpassen. Im Fall von Europa sind nicht nur das Jesuskind sondern auch andere Details der Krippenszene durch Symbole des Konsums wie Autos, Kreditkarten und Computer ersetzt. „Karikaturen“, so schrieb der berühmte Kulturhistoriker Aby Warburg am Anfang des 20. Jahrhunderts, „sind Auffangsorgane des inneren und äußeren Lebens.“ Dies gilt für Faragós kritische oder auch nur überspitzt beschreibende Zeichnungen des Religiösen, in denen sich Volksfrömmigkeit, Glaubenswahrheit und Zivilisationskritik mischen, ebenso. Auch dieser Zyklus von Zeichnungen zu Religion und Glauben enthält Zumutungen an den Betrachter, die die Grenze des Zumutbaren gelegentlich absichtlich überschreiten. Aber schauen Sie selbst, meine Damen und Herren. An einigen Bildern werden sicher auch Sie Ihre helle Freude haben.


August 25, 2013

Sebastian Heiner


SEBASTIAN HEINER


Vita
1964 Born in Berlin. 1984-91 Study at the Berlin University of the Arts, Berlin. 1986 Summer academy in the class of Wolf Vostell, Malpartida de Caceres, Spain. 1991 Master Student at the Berlin University of the Arts in the class of Klaus Fußmann. 2004-08 Lives and works in Berlin and Beijing. 2009 Fellow at the Künstlerhaus Schloß Wiepersdorf, Brandenburg. 2010 Lives and works in Shanghai, Studio at North Bund Art Zone. 2011 Lives and works in Berlin. 2012-13 Lives and works in Bangkok, V64 Art Studio and Berlin.
www.sebastianheiner.de



Katalog / Catalogue:
Sebastian Heiner Bangkok 2013, V64 Art Studio, Bangkok 2013


Axel Feuß:
MEGACITY ACTION PAINTING

(for English please scroll down) 

Zum wiederholten Mal reiste Sebastian Heiner nach Fernost um dort zu malen. Von 2004 bis 2008 unterhielt er neben seinem Atelier in Berlin auch eines in Beijing. Bald wurden in der chinesischen Hauptstadt Künstler, Kuratoren und Galeristen auf ihn aufmerksam. Am Ende standen viel beachtete Einzelausstellungen in Beijing und Deutschland seiner in China entstandenen Werke. 2010/11 arbeitete er in Shanghai, wo er sich in der North Bund Art Zone ein Atelier mit dem Maler Liu Gang teilte. Jetzt, im Dezember 2012, verwirklichte er den schon länger gehegten Plan, während eines mehrmonatigen Aufenthalts in der thailändischen Hauptstadt Bangkok zu malen. Sicher verbindet ihn seit seinem ersten Aufenthalt in China eine besondere Faszination mit Ostasien und vor allem mit den menschlichen Erfahrungen, die er in der Zusammenarbeit mit den dortigen Malerkollegen machte. Aber kann man in den Werken eines abstrakt arbeitenden Künstlers wirklich eine Brücke zwischen Europa und dem Osten oder gar ein daoistisches Prinzip erkennen, wie es chinesische und deutsche Autoren der vorangegangenen Kataloge ausgemacht haben wollen? Würde man in den in Thailand entstandenen Werken Einflüsse der lokalen Kultur entdecken können?

 Sebastian Heiner: Sounds in the Morning, 2013. 
Oil and spray on canvas, 110 x 160 cm

Der Künstler selbst legt Wert auf die Feststellung, dass der bloße Ortswechsel, weg aus Berlin in noch viel größere, pulsierendere Städte, die Befreiung vom eigenen Ich, den Antrieb zu einer Steigerung der Kreativität mit sich bringen würde. Wie zuvor Beijing und Shanghai ist auch Bangkok für ihn ein Moloch, eine Menschen verschlingende Stadt. Patrick Dreher, Autor des 2007 in Beijing entstandenen Katalogs, bestätigt den chaotischen Charakter der chinesischen Großstädte, unter dem die Bewohner offenbar mehr leiden als dass sie dort Lebensfreude empfinden. Auch Bangkok macht diesem Eindruck gelegentlich alle Ehre, wenn man beispielsweise für die abendliche Bustour von einem Stadtteil in den anderen bis zu drei Stunden benötigt. Sebastian Heiner trägt seine Malerei mit explosiven Formen und der Qualität einer Performance vor. Er bewirft die Leinwand mit Farbe, quetscht Ölfarbe mit dem Fuß aus der Tube heraus, verteilt sie mit Händen, Unterarmen und improvisierten Spachteln auf dem Malgrund und strukturiert sie mit Besen und Fliegenklatsche. Ist dies also eine Kunst, die das chaotische Erscheinungsbild der ausufernden Millionenstädte reflektiert?

Sebastian Heiner: After True Vision, 2013. 
Oil and spray on canvas, 110 x 160 cm

Anders als viele andere europäische, amerikanische und australische Künstler, die als Touristen nach Bangkok kommen, das Land kennen lernen, Kontakte zu den zahlreichen Kunsthochschulen und der sich langsam entwickelnden Galerien-Szene knüpfen und dann mit Bedacht anfangen künstlerisch tätig zu werden, hat er nach kurzer Vorbereitungszeit abseits von den touristischen Highlights ein Atelier in den Ausuferungen Bangkoks gefunden und sofort zu malen begonnen. Fast schien es, als würde er diesmal zu große Nähe, einen zu langen Aufenthalt mit intensiven Einflüssen der fremden Kultur vermeiden wollen. Und tatsächlich zeigen seine dort entstandenen Werke keine figürlichen oder erzählerischen Elemente mehr wie sie in den in China gemalten Bildern in Form von Gesichtern und Gliedmaßen oder chinesischen Schriftzeichen gelegentlich erscheinen, sondern sind ausschließlich abstrakt.

Sebastian Heiner: Flash City, 2013. 
Oil and spray on canvas, 180 x 140 cm

Der Maler mietete ein Atelier in der Künstler-Kooperative V64 , einem Zusammenschluss von über siebzig Künstlern, die 2011 einen Komplex aus meist einstöckigen, um einen zentralen Platz gruppierten Lagerhäusern erwarben und dort rund vierzig Ateliers, eine Galerie, Kunstakademie, Musikschule, und einen Coffee-Shop einrichteten. Der Hinweis auf diese Ateliergemeinschaft kam von befreundeten thailändischen Künstlern, die in Deutschland leben und zwischen beiden Ländern pendeln. Auch die Künstler von V64 sind weltoffen. Viele haben im Ausland studiert und pflegen Kontakte zu Galerien in aller Welt. Abseits einer großen Ausfallstraße, der Chaeng Wattana, auf halbem Weg zwischen dem Chatuchak-Wochenendmarkt und dem alten Flughafen Don Muang gelegen, ist V64 eine Oase der Ruhe und Kreativität. 

Sebastian Heiner: Taxi, 2013. 
Oil and spray on canvas, 110 x 160 cm

Bangkok ist vieles gleichzeitig: die Stadt der großen Einkaufszentren und quirligen Boulevards, an denen laufend neue Hotels, Bürohochhäuser und Shopping Malls entstehen und wo allabendlich zur Zeit der Rushhour die Nachtmärkte aufgebaut werden. Bangkok ist die Stadt der kleinen verwinkelten Quartiere, in denen die Menschen ihren täglichen Geschäften nachgehen, wo sie alles Lebensnotwendige finden und die sie nie verlassen müssen. Und es ist die Stadt der zersiedelten Vorstädte, die von mehrspurigen Magistralen, riesigen Kreuzungen, Überführungen und auf Betonpfeilern stehenden Stadtautobahnen zerschnitten werden. Verlässt man diese Hauptstraßen durch eine der seitlichen von Wohn- und Geschäftshäusern gesäumten Gassen, so gelangt man zu kleinen Straßenmärkten und in fast ländliche Gegenden, in denen noch die typischen aus Holz gebauten und auf Stelzen stehenden Thai-Häuser inmitten von Bananenstauden und üppig blühender Bougainvillea stehen. In solch einer Gegend liegt V64.

Sebastian Heiner: Fulmination, 2013. 
Oil and spray on canvas, 130 x 200 cm

Die Thais nehmen ihre Hauptstadt mit buddhistischer Gelassenheit als etwas Gegebenes, Unveränderbares hin. Sie verbringen Stunden auf dem Weg zur Arbeit, drängen sich in überfüllten Hoch- und Untergrundbahnen, schlafen in Bussen, die stundenlang auf Kreuzungen stehen oder gemächlich durch kleinere Stadtviertel zuckeln. Abends treiben sie zu Hunderten Sport in den Parks oder machen auf jeder sich bietenden Freifläche Aerobic zur Musik aus der mobilen Stereoanlage und zu den Bewegungen einer ausgebildeten Vortänzerin. Meist essen sie in den direkt an der Fahrbahn aufgebauten mobilen Garküchen und in Straßenrestaurants. Sie feiern zu Tausenden die buddhistischen Feste oder den Geburtstag des Königs und fahren an Feiertagen Hunderte von Kilometern aufs Land, um für wenige Stunden ihre Familien zu sehen. Jeder kann in Bangkok sein Glück versuchen. Einhundertausend gehen jedes Jahr aus der Provinz in die Hauptstadt, eröffnen ein Geschäft, ein kleines Restaurant, lernen, studieren oder reihen sich in das Heer der kleinen Angestellten und Arbeiter ein. Politische und soziale Unruhen zwischen den gering Verdienenden, der wachsenden Mittelschicht und den Regierenden brechen so unvermittelt wie Unwetter über die Hauptstadt herein. Zerstörungen sind schnell beseitigt, das Leid von vielen bald vergessen. Thais dürften Bangkok nicht als Chaos, sondern die vielfältigen Erscheinungsbilder der Stadt und ihre gesellschaftlichen Strukturen als geordnet empfinden.

Sebastian Heiner: Clash, 2013. 
Oil and spray on canvas, 110 x 160 cm

Der Ausländer, der hier seinen Geschäften nachgeht, wird nie herausfinden, ob er sich unter Millionen von Individualisten oder in einer durch offenkundige Muster geregelten Massengesellschaft aufhält. Was anarchisch wirkt, ist durch Traditionen, familiäre, religiöse und staatliche Normen und festgefügte Überzeugungen von Oben und Unten im öffentlichen Leben geregelt. Gesellschaftlichem Zwang versuchen viele durch grenzenlosen Konsum in der globalisierten Warenwelt zu entkommen. In der thailändischen Kunst, in Malerei, Graphik, Installationen, Videos und Medienkunst, ist dieser Konflikt heute ein gängiges Thema. 

 Sebastian Heiner: Phantom, 2013. 
Oil and spray on canvas, 200 x 130 cm

Das Chaos entsteht in unseren Köpfen. Wir sitzen auf dem Balkon im zehnten Stock unseres Appartement-Hochhauses und blicken auf eine Stadt mit Millionen von Lampen, umgeben von futuristisch angestrahlten Hochhäusern, Leuchtreklamen und Rücklichtern endloser Schlangen von Fahrzeugen. Wir begegnen Menschen, die uns mit großer Freundlichkeit, Aufgeschlossenheit und tausend Fragen auf den Lippen ansehen und Fremden nur selten Zugang zu ihrem Privatleben gewähren. Schnell fällt der Blick auf die kleinen Dinge. Thais sind Meister des Designs, der Dekoration und der schnellen Improvisation. Provisorisches, schnell zusammen Gezimmertes, überdauert Jahre. Wo Traditionelles abgerissen wird, entsteht Neues aus Stahlbeton, Aluminium und Glas. Die Fotokamera hält alte chinesische Tempel fest, Slums und heruntergekommene Kinos neben Geschäften mit internationalen Marken, gewagte Farbkombinationen auf Häuserwänden, kuriose Betonkonstruktionen, Blumenmärkte mit Bergen von Orchideen und die unentwirrbaren Knäuel elektrischer Leitungen, die gefährlich nahe auf Bürgersteige herunter hängen. Sebastian Heiner hat das mit Fotos und Texten in seinem Internet-Blog beschrieben.

Sebastian Heiner: Blazing Heat of Sun, 2013. 
Oil and spray on canvas, 140 x 180 cm

In seinen Ölbildern findet sich davon offenbar nichts. Theoretischer Hintergrund seiner Kunst sind ungegenständliche Tendenzen, die mit dem Abstrakten Expressionismus und dem Action Painting vor der Mitte des vergangenen Jahrhunderts in Amerika entstanden und sich in unterschiedlicher Gestalt manifestierten. Jackson Pollock schuf Drippings, indem er Ölfarbe von Pinseln und aus Dosen auf plan liegende Leinwände tropfen ließ, der aber auch schweres Impasto aus Farbe, Sand und Glasscherben mit Stöcken und Messern zu reliefartigen Oberflächen verarbeitete. Franz Kline visualisierte mit balkenartigen schwarzen Zeichen gestischen Ausdruck und malerisches Handeln. Bei Robert Motherwell stehen ähnliche Formen sorgsam komponierten Farbräumen gegenüber. Cy Twombly wurde von Graffiti und Kritzeleien zu einer Bilderschrift inspiriert, mit der er das von Pollock erfundene All-over, das spannungsgeladene Füllen der gesamten Bildfläche, kultivierte. Im künstlerischen Mittelpunkt aller stand der Malprozess, den vor allem Pollock als unbewussten oder auch spontanen Ausdruck psychischer Befindlichkeit verstand und der von sich selbst sagte: „Wenn ich mich im Bild befinde, ist mir nicht bewusst, was ich tue.“

In Europa entstanden zur gleichen Zeit Informel und Tachismus als stilistische Varianten der gestischen Malerei. Während in Paris Jean Fautrier ab 1947 mit einer Malerei aus plastischem Material den Übergang von der figurativen zur informellen Kunst vollzog, etablierte Georges Mathieu in öffentlichen Shows eine gesteigerte Form des Action Painting und attackierte in der Art eines Florettfechters riesige Leinwände mit explosionsartig gesetzten Farbflecken und informellen Zeichen. „Das Malen selbst wurde zum Bildthema, der Farbverlauf oder die Farbfigur zum eigentlichen Inhalt.“ (Karl Ruhrberg) In Deutschland gestaltete Emil Schumacher mit hohem körperlichen Einsatz und scharfem Intellekt farblich und kompositorisch brillante Bildlandschaften ohne Bezug zur realen Welt. Karl Otto Goetz schrieb nach langen meditativen Phasen mit dem trockenen Pinsel gestische Bahnen in feuchte Farbströme, eine Arbeitsweise, die als „psychischer Automatismus“ bekannt wurde. Fred Thieler schuf noch bis in die Achtzigerjahre farbige Bildräume mit kosmisch anmutenden Farbwolken, deren gesprühte und gespritzte Oberflächen, Rinnspuren und getrocknete Krusten aus Farbpigmenten seinen Bildern Plastizität und eruptive Präsenz verleihen.

Sebastian Heiner: Incidence of Light, 2013. 
Oil and spray on canvas, 130 x 200 cm

Anders als die Protagonisten der Mitte des vorigen Jahrhunderts, die sich im Wesentlichen auf nur ein für sie kennzeichnendes Gestaltungsprinzip festlegten, kann Sebastian Heiner heute frei auf das gesamte Repertoire an kreativen Möglichkeiten der informellen Malerei zurückgreifen und dieses weiter entwickeln. Einer seiner künstlerischen „Heroen“ ist Emil Schumacher, was sich in seinen Bildern in einer hohen Sensibilität und intellektuellen Durchdringung des Verhältnisses von Farbgebung, Formfindung und Komposition niederschlägt. Seine Malweise ist jedoch ist reines Action Painting wie es uns von Pollock, Mathieu  und Goetz überliefert ist und bei dem gleichzeitig eine starke Verinnerlichung, das Freisetzen unbewusster kreativer Energien und „psychischer Automatismus“ zum Tragen kommen. 

Sebastian Heiner: Live Performance
Studio V64, Bangkok, Jan. 2013

Während wir bei den Künstlern des Zwanzigsten Jahrhunderts auf schriftliche Berichte angewiesen sind, stehen ihm heute die Performance und dokumentarische  Videos als begleitende wenn nicht selbstständige künstlerische Formen zur Verfügung. In Shanghai dokumentierte der Videojournalist Peter Wollring eine Malperformance von Sebastian Heiner ohne Publikum auf dem Dach des Atelierhauses mit dem Titel „Subliminal Session“ und einem elektronischen Soundtrack von Sebastian Drichelt. Ausblicke auf die Dachlandschaft des Yangpu-Distrikts, der unweit vom Yangtzse-Fluss durch heruntergekommene und aufgelassene Industriebauten geprägt ist, sowie filmische Details von Hochhäusern, Brücken, Hafenanlagen, vorbei fahrenden Frachtschiffen, tristen Wohnbauten und vermüllten Hinterhöfen bilden dabei weniger einen Kontrast als vielmehr die Sinn stiftende Folie für die konzentrierte, fast brutale Malweise des Künstlers. Während er auf die Leinwand geworfene Ölfarbe mit Arm, Hand und einem als Spachtel dienenden Getränkekarton in Form und Komposition bringt, Sand und anderes Material in die Malschicht einarbeitet, befindet er sich in Pollocks Sinn unmittelbar im Bild und damit in einem kreativen Rückzugsraum, der ihn von der wüsten und trostlosen Umwelt isoliert. In Bangkok schuf der Künstler während einer öffentlichen Performance anlässlich des Künstlerfests zum Jahrestag von V64 den Entwurf des später überarbeiteten Bildes „Circulation“, wobei verstärkt Sprühfarben zum Einsatz kamen. Ein weiteres Video seiner dortigen Arbeit entsteht.

Sebastian Heiner: Circulation, 2013. 
Oil and spray on canvas, 200 x 400 cm

Ein Blick in sein Atelier in Bangkok zeigt, dass dennoch der Produktionsvorgang und die fertigen Gemälde strikt von einander getrennt sind. Während auf dem Atelierboden Farben, Tuben und provisorische Malutensilien der vorangegangenen Mal-Sessions als bizarrer, klebriger Materialteppich überdauern, hängen an weißen Wänden Kunstwerke von bestechend farbiger Schönheit. Auch hier bilden das Hässliche und der Abfall die Sinn stiftende Folie für die perfekte Ästhetik; denn das eine würde ohne das andere nicht existieren. Bei den Gemälden sind drei Kategorien zu erkennen: Bilder, bei denen sich Farben und Strukturen explosionsartig, wabernd oder in Eruptionen in verschiedene Richtungen bewegen, solche, bei denen pastose Zeichen und Gestisches im Mittelpunkt stehen, und eine dritte Kategorie, bei der Ton in Ton gemischte Farben und krustenartige Oberflächen ein ruhiges All-over bilden. Für den Künstler stehen das Experiment, das Verlangen, neue Farbenergien aufzubrechen und Phasen der Kontemplation nebeneinander. Analog zu Bildern von Emil Schumacher kann der Betrachter auch kosmische Energien und die Weite des Universum entdecken. Die in Bangkok neu entwickelten sternförmigen Bilder sind Experiment, weisen aber auch in diese Richtung. Schwere Goldrahmen, wie der Künstler sie für einige seiner in Shanghai entstandenen Bilder erfand, sind Ausdruck für ästhetische Vollendung und entfremden das Kunstwerk endgültig vom Arbeitsprozess.


Beijing, Shanghai und Bangkok sind die Experimentierfelder, vor deren Hintergrund die Arbeiten von Sebastian Heiner entstanden sind. Vor dem Chaos, das die Megacitys verkörpern, zieht sich der Künstler in das von ihm gefundene System aus ästhetischen Prozessen zurück. Dennoch stehen seine Werke mitten im Leben: Die im Nachhinein gefundenen Titel beschreiben nicht etwa den Inhalt der Bilder, sondern geben Beobachtetes aus der Zeit ihrer Entstehung wieder. Ohne seine Reflektionen über die Existenz in Städten, die vom menschlichen Größenwahn geprägt sind, ohne seine Performances und Videos wüssten wir wenig über seine Kunst. Vielleicht steht seine Malerei doch in engem Bezug zur fernöstlichen Philosophie. Denn die Grundprinzipien des Daoismus, der „Lehre des Wegs“, treffen auch auf seine Arbeit zu: Sein Antrieb ist das ständige Beobachten der Welt, sein Arbeitsprinzip der Weg, in dessen Zentrum Schatten und Licht, Yang und Yin, stehen. Das Höchste jedoch, so der chinesische Geschichtsschreiber Sϊ Ma Tsiën (163-85 v.Chr.), seien die Erkenntnis des Nicht-Erkennens und die Rückkehr zu einem vollendeten kosmischen Prinzip.





Axel Feuss:
MEGACITY ACTION PAINTING

Translation: Jessica Hodgkiss

Once again Sebastian Heiner journeyed to the Far East to paint. From 2004 till 2008 he maintained a studio in Beijing as well as in Berlin. Soon artists, curators and gallery owners living in China's capital started to take notice of him. At the end of his duration, works Sebastian made in China were shown in Beijing and in Germany in highly acclaimed solo exhibitions. In 2010/2011 he worked in Shanghai where he shared a studio in the North Bund Art Zone with painter Liu Gang. Now, in December 2012, he realised a long cherished dream of spending several months painting in Thailand's Capital Bangkok. Sebastian has been fascinated with the Far East since his first trip to China. His bond with the Far East is a result of his interpersonal experiences he made while working with his fellow painters. Is it possible, however, to perceive a bridge between Europe and the East or even a Daoistic principle in an abstract painter's works of art, as authors of previous catalogues have claimed to see? Would it be possible to detect influences of the local culture in the works made in Thailand?

Sebastian Heiner: Sounds in the Morning, 2013. 
Oil and spray on canvas, 110 x 160 cm

The artist himself values the conclusion that a mere change of location from Berlin to bigger and even more vibrant cities would bring about a liberation of the self, prompting more creativity. He considers Beijing and Shanghai hellholes and Bangkok, too, describing it as a city that devours its inhabitants. Patrick Dreher, author of the catalogue produced in Beijing in 2007, confirms the chaotic character of Chinese metropolises which makes the inhabitants seem to suffer more than that it enables them to find pleasure. Bangkok too makes this impression on occasions: travelling by bus from one part of town to the other can take up to three hours.Sebastian Heiner presents his method of painting with explosive colours and the quality of a performance. He throws paint onto the canvas, squeezes oil paints from tubes, spreading them across the canvas using hands, arms and improvised spatulas. He uses brooms and fly swatters for structure. Is this the kind of art that reflects the chaotic appearance of overcrowded megacities?

Sebastian Heiner: After True Vision, 2013. 
Oil and spray on canvas, 110 x 160 cm

Many other European, American and Australian artists come to Bangkok as tourists. They get to know the city and make contacts with numerous art schools and with a slowly developing gallery scene before they begin to start making art. Unlike them, Sebastian Heiner found a studio in the urban area away from the tourist highlights after a short period of preparation and began painting straight away. It almost seemed as if he wanted to avoid too much contact or a too long stay and the intense influences of a foreign culture. The paintings he made there don't show figures or narrative elements like faces, extremities or Chinese characters as the ones he made in China. They are solely abstract paintings.

Sebastian Heiner: Flash City, 2013. 
Oil and spray on canvas, 180 x 140 cm

The artist rented a studio in the art collective V64. In 2011 this group of more than seventy artists acquired a complex of mostly single-storey warehouses grouped around a central square. Here they set up around forty studios, a gallery, an academy of fine arts, a music school and a coffee shop. Befriended Thai artists living alternately in Germany and Thailand suggested the collective to Sebastian Heiner. The artists from V64 are cosmopolitan, too. Many have studied abroad and stay in contact with galleries all over the world. Off the big highway, Chaeng Wattana, half way between the Chatuchak weekend market and the old airport, Don Muang, V64 is an oasis of piece and creativity.

Sebastian Heiner: Taxi, 2013. 
Oil and spray on canvas, 110 x 160 cm

Bangkok is many things at the same time: a city of big shopping centres and busy boulevards where new hotels, offices and malls are built and where night markets are set up at rush hour. Bangkok is a city of small winding quarters, where people go about their day-to-day business, where they find essential supplies and never have to leave. Bangkok is the city of widespread suburbs divided by multi-lane roads, huge crossings, overpasses and urban motorways set on concrete pillars. On leaving these main roads via one of the side streets lined with flats and office buildings, one arrives at small street markets and almost rural areas. Here one can find typical Thai houses made of wood standing on stilts among banana plants and bougainvillea in full bloom. V64 is situated in such an area.

Sebastian Heiner: Fulmination, 2013. 
Oil and spray on canvas, 130 x 200 cm

The Thais accept their capital city with Buddhist calm as something given and unchangeable. It takes them hours to get to work as they push through crowded elevated and underground railways and sleep in buses which stop hours at crossings or slowly saunter through smaller districts. In the evenings several hundred Thais do sports in the parks. On every available open space they practice aerobics to music blasting from mobile stereos and copy move­ments by a skilled dancer. They often eat at street restaurants or mobile cook shops standing directly near the road. They celebrate Buddhist festivities or the King's birthday by the thousands and travel many miles to the countryside to see their families for just a few hours.Everyone can try their luck in Bangkok. One hundred thousand Thais leave the province for the capital city every year to open up a shop or a small restaurant, to learn, study or to join the army of employees and workers. Political and social unrest between low-income earners of the growing middle class and the governing irrupt over the capital as unpredicted as a storm. Damages are quickly repaired and the pain of many is forgotten in an instant. Rather than thinking of Bangkok as a place of chaos, Thais must think it an organised city with multifaceted appearances and social structures.

 Sebastian Heiner: Clash, 2013. 
Oil and spray on canvas, 110 x 160 cm

A foreigner going about his work here will never find out if he stands among millions of individualists or among a society with clear structures. What seems anarchic is in fact regulated in public life by traditions as well as family, religious and state rules and established beliefs from above and below. Many try to overcome social pressure by limitless consumption in a globalised consumer world. This conflict is a common theme in Thai art today and can be found in painting, graphics, installations, videos and media art.

Sebastian Heiner: Phantom, 2013. 
Oil and spray on canvas, 200 x 130 cm

We create chaos in our heads. We sit on the balcony of our ten story apartment building and look down at the city where millions of lamps are surrounded by futuristic illuminated sky scrapers, neon signs and back lights of a never ending line of cars. We meet people who look at us with much friend­liness, openness and with a thousand questions waiting to be asked but who seldom reveal their private life to a foreigner. The small things quickly become important. Thais are masters of design, of decoration and quick improvisation. Makeshift constructions last years. Traditional buildings make place for new ones made up of concrete, aluminium and glass. The camera captures old Chinese temples, slums, run-down cinemas next to shops filled with international brands, bold colour combinations on house walls, odd concrete constructions, flower markets with heaps of orchids, and inseparable knots of electric cables hanging dangerously close to the pavement. Sebastian Heiner describes these scenes with photographs and texts on his internet blog.

Sebastian Heiner: Blazing Heat of Sun, 2013. 
Oil and spray on canvas, 140 x 180 cm

His oil paintings, however, do not reveal these scenes. The theoretical background of his art are non-representational tendencies that originated in America before the 1950s, such as Abstract Expressionism and Action Painting that manifested in different forms. Jackson Pollock created Drippings by dripping paint off paint brushes and tubes onto the flat lying canvas. He also fabricated a rich impasto of colour, sand, and broken glass, using sticks and knives to form relief-like surfaces. Franz Kline visualised gestural expression and the action of painting with black beam like characters. Robert Motherwell sets forms against carefully composed colour spaces. Graffiti and scribbles inspired Cy Twombly to a pictography in which he cultivated the All-over, an invention by Pollock, where the artist fills the entire image area in a uniform manner. The act of painting was the main focus for all these artists. Pollock considered the act of painting a subcon­scious but also spontaneous expression of mental state and said about himself: "When I am in the painting, I am not aware of what I am doing."

At around the same time in Europe stylistic variations of gestural painting evolved, namely Arte Informale and Tachisme. In Paris in 1947 Jean Fautrier made the transition from figurative to informal art in paintings made with three-dimensional material while Georges Mathieu established an enhanced form of Action Painting in public shows. Like a fencer, Mathieu attacked huge canvases with explosively jotted daubs and informal characters. "Painting itself became the subject matter. Colour gradient and shape became the actual content." (Karl Ruhrberg). In Germany Emil Schumacher designed visual landscapes of outstanding colour and composition that shared no relation with the real world. He created them with much physical effort and a sharp intellect. After long periods of meditation, Karl Otto Goetz wrote gestural lines in wet paint with a dry paint brush, a process that was to become known as "psychic automatism". Fred Thieler created colourful image spaces well into the Eighties. Clouds of colour, almost cosmic in appearance, whose surfaces were sprinkled and sprayed contained trickles and dry crusts of colour pigments that gave his paintings a three-dimensional and eruptive edge.

Sebastian Heiner: Incidence of Light, 2013. 
Oil and spray on canvas, 130 x 200 cm

While the protagonists of the middle of the 20th century generally concentrated on one formal principle that extinguished them, Sebastian Heiner can today revert freely and develop the entire repertoire of creative possibilities that informal painting offers. One of his artistic "heroes" is Emil Schumacher. Schumacher's inspiration is reflected in Heiner's paintings by the use of a highly sensitive and intellectual intersection in the relation of colour application, form finding and composition. Heiner's way of painting is, however, pure Action Painting, as was handed down to us by Pollock, Mathieu and Goetz. It bears a strong internalisation, a discharge of subconscious creative energies and "psychic automatism".

Sebastian Heiner: Live Performance
Studio V64, Bangkok, Jan. 2013

We depend on written documents concerning artists of the 20th century. Heiner, however, can make use of performance and documentary videos. They are additional material and art forms in their own right. Video journalist Peter Wollring documented a painting performance by Sebastian Heiner in Shanghai. Titled "Subliminal Session", the video shows the artist painting on the rooftops of his studio without an audience present. An electronic soundtrack by Sebastian Drichelt accompanies the action. Not far from the River Yangtze, rootops views capture the Yangpu District with its run-down and abandoned industrial buildings. Close-ups of tower buildings, bridges, harbours, passing freighters, dull housing and littered backyards constitute less a contrast than a meaningful background for the artist's almost brutal way of painting.Heiner lashes oil paint onto the canvas and mixes in sand and other materials. Using hands, arms and a spatula formed out of a drink carton, he creates form and composition. He is in the picture, as Pollock would say. He is in his own space of creativity which isolates him from the surrounding wasteland. During a public performance in Bangkok on the occasion of the anniversary celebration of V64, the artist created the concept for the later revised painting "Circulation". We can see an intensified use of spray paints in this painting. Another video of the artist at work is made. 

Sebastian Heiner: Circulation, 2013. 
Oil and spray on canvas, 200 x 400 cm

A glimpse into his studio in Bangkok shows that producing paintings and completing them are two separate processes. On the studio floor we can see paints, tubes and makeshift painting utensils from the last painting session that form a rather bizarre sticky carpet, while beautifully colourful artworks hang on white walls. Even here ugliness and waste set the stage for perfect aesthetics. One wouldn't exist without the other. We can organise the paintings into three categories: paintings which show explosive movements of colour and structure, weaving and erupting in different directions; paintings emphasising three-dimensional characters and gestures and a third category where colourful shades and crusty surfaces create a calm All-over. The artist sees experimentation, the desire to release new energies of colour and periods of contemplation all as equally important. As is also the case in Emil Schumacher's paintings, the viewer can detect cosmic energies and the vastness of the universe. The newly developed star shaped paintings made in Bangkok are an experiment but point in the same direction. Heavy golden frames similar to the ones the artist devised for some of his paintings from Shanghai are an expression of aesthetic completion and separate the artwork from the production process.


Beijing, Shanghai and Bangkok offer opportunities to experiment. In these megacities, Sebastian Heiner creates his artwork. The artist retreats from the chaos to a system of aesthetic processes he created for himself. Nevertheless, his artworks are full of life. Titles which were decided after the paintings were completed do not describe the subject matter but rather tell of the experiences from the time of their making. Without Heiner's reflections on living in cities marked by human megalomania and without his performances and videos we would know little about his art. Perhaps his art really is closely related to the philosophy of the Far East, for the main principles of Daoism, the "teachings of the way", also apply to his work. His drive is a constant observing of the world. His work principle is to go the way which holds darkness and light, Yang and Yin at its centre. The highest principle, however, according to the Chinese historian Si Ma Tsien (163-85 B.C.), is the awareness of not knowing and the return to cosmic law.